Crowdfunding auf der Blockchain

Initial Coin Offering (ICO)

Bei Initial Coin Offerings handelt es sich im Prinzip um Crowdfunding ähnlich wie Kickstarter oder IndieGoGo. Der Unterschied ist, dass das Team kein Produkt, sondern seine Tokens an die Investoren nach vorab festgelegten Maßgaben verteilt und als Investmentmedium häufig nur Kryptowährung akzeptiert wird. Typischerweise wird mit dem Coin bezahlt, dessen Blockchain für den Token verwendet wird: meistens Ethereum, manchmal aber auch Coins wie NEO oder Tron. In seltenen Fällen kann man die Tokens auch mit Fiatwährung oder Bitcoin kaufen. Die Tokenomics, also die Menge und Aufteilung der Tokens, werden von jedem Team individuell festgelegt, ebenso wie die Mindest- und Maximalsumme, die für das Projekt zusammenkommen muss.

Ethereum, der Coin mit den meistens Tokens auf einer Blockchain, startete selbst als weltweit erster ICO. Für 1 BTC erhielt man 2.000 ETH Tokens. ICOs haben sich zur Finanzierung von tokenisierten Start-ups bewährt. Diese Möglichkeit des Fundraisings wurde jedoch von vielen Fake-Projekten missbraucht. Das Phänomen Exit Scam ereilt auch Plattformen wie Kickstarter, doch in der Kryptoszene ist es wesentlich leichter, ein Whitepaper aufzusetzen, ein paar dubiose Teammitglieder zu vereinen und per Baukastenprinzip eine hübsche Homepage mit Supportkanal auf Telegram zu erstellen. Schließlich benötigt man nur noch einen Programmierer, der – wenn es überhaupt so weit kommt – nutzlose Tokens nach der Finanzierungsphase ausstellt. Oder man bleibt von Anfang an anonym und taucht einfach ab.

Start-ups ohne Minimum Viable Product (MVP) bzw. einer Alpha– oder zumindest Demo-Version ihres Dienstes oder ihrer Plattform sind mit größter Vorsicht zu behandeln. Auch gehypte Projekte wie Pincoin sind kein Garant für eine nachhaltige Entwicklungsphase: Die Macher verschwanden mit 660 Millionen Dollar in Kryptowährung. Bevor ein Projekt nicht auf populären Exchanges handelbar ist, ist ein Investment umso risikoreicher. Ein Negativ-Beispiel für einen ICO mit Hintertür im Token Contract war der Cloud-Speicher Oyster Protocol.

Telegram selbst initiierte einen Tokensale im Jahr 2018 für seinen Token Gram, der dem Messaging-Dienst 1,7 Milliarden US-Dollar einbrachte. Im darauffolgenden Jahr leitete die SEC eine Untersuchung ein und erklärte den ICO für gesetzwidrig, da zum Zeitpunkt des Verkaufs kein Proof of Concept des Telegram Open Network (TON) vorlag. Nach Maßgabe des Howey Tests muss in den USA eine Entwicklung erkennbar sein wie bspw. ein Minimum Viable Product, damit ein Tokensale als Investitionsvertrag rechtens ist und kein „contract, transaction or scheme whereby a person invests his money in a common enterprise and is led to expect profits solely from the efforts of the promoter or a third party“, Gerichtsurteil: S.E.C. v. Howey Co., 328 U.S. 293 (1946). Verlasse dich also in keinem Fall auf die Bekanntheit einer Firma, wenn diese einen Tokensale veranstaltet. So ereilte auch die US-amerikanische Firma Ripple zu Weihnachten 2020 eine Klage der SEC, die dem Unternehmen den Verkauf von Wertpapieren unter dem Deckmantel eines Kryptotoken vorwarf, ohne ein profitables Geschäftsmodell nachweisen zu können. Daraufhin delisteten immer mehr Börsen den einst drittgrößten Kryptotoken XRP aufgrund regulatorischer Risiken. Ob die Gesetzgebung in den jeweiligen Ländern über die Jahre zu einem anderen Ergebnis kommt und ob sich die Staatengemeinschaft auf einen Konsens in der Klassifizierung von Kryptoassets einigen kann, bleibt abzuwarten. Einen Entwurf nach US-amerikanischem Standard hat die SEC bereits veröffentlicht, wie du im Kapitel „Wie steht der Gesetzgeber zu Kryptowährungen?“ nachlesen kannst.

Wenn man nicht wie Warren Buffet Tag ein Tag aus den Aktienmarkt studiert, sollte man als Hobbyinvestor nie alle Eier in einen Korb legen, sondern bei Investitionen das Risiko streuen – besonders bei regulatorischer Unklarheit.

Initial Exchange Offering (IEO)

So schnell wie der ICO-Boom mit teils enormen Renditen gekommen war, so schnell verschwand er 2018 mit dem einsetzenden Bärenmarkt wieder. Die Teilnehmer an Fundraising-Projekten ging signifikant zurück. ICOs wurden für tot erklärt. Die Hoffnung beruhte nun auf Security Tokens, welche jedoch nach wie vor eine untergeordnete Rolle spielen.

In 2019 gelang Binance ein genialer Schachzug: Die führende  Kryptobörse hatte auf ihrem Launchpad zuvor Projekten wie Gifto und Bread eine Finanzierungskampagne ermöglicht. BitTorrent, Fetch.AI und Celer wurden zu den ersten Initial Exchange Offerings bzw. IEOs, also einem Tokensale auf einer Börse. Zuvor war es für Investoren immer ungewiss, ob eine Börse den Token listen und einen liquiden Handel ermöglichen würde. Besonders Listings auf populären Börsen wie Binance sorgten bisher verlässlich für Kursgewinne.

Börsen wie KuCoinOKX und Gate.io sind auf den Zug aufgesprungen und bieten ihre eigene Version von Initial Exchange Offerings an. HTX hat Prime wiederum aufgegeben. Diese verbesserte Art des Fundraisings lässt sich ideal mit dem eigenen Token kombinieren: Statt wie bei ICOs (nur) den zugrundeliegenden Blockchain-Coin zu akzeptieren, ist bei IEOs der Exchange Token häufig das alleinige Investmentmedium und unterliegt einer Holding Period, muss also in der Regel über mehrere Tage oder Wochen gehalten werden, was per Snapshot protokolliert wird.

Binance änderte mit Matic Network die Bedingungen für Initial Exchange Offerings von einem First Come First Served (FCFS)-Prinzip in eine Lotterie. Das war auch dringend notwendig, denn durch das profitable Flipping der erworbenen Tokens werden bei First Come, First Served-basierten IEOs findige Programmierer angelockt, die mit Bots und Scripts die wenigen Tokens in der ersten Sekunde wegschnappen, auch wenn Börsen wie OKX beteuern, Maßnahmen gegen eine automatisierte Teilnahme zu ergreifen – nur leider keine effektiven. In einem Lotterie-Verfahren hingegen hat man über mehrere Stunden Zeit, sich auf ein Los zu bewerben.

Die Menge der benötigten Exchange Tokens für die Holding Period variiert stark von Börse zu Börse. Auch die zugeteilte Menge an Coins für Gewinnertickets ist von IEO zu IEO unterschiedlich. Bei Interesse solltest du die Konditionen genauso prüfen wie die Projekte, in die du letztlich (wenn vielleicht auch nur kurzfristig) investierst. ICO Analytics hat die verschiedenen Bedingungen für IEOs auf Telegram zusammengefasst. Auf ICO Drops findet man inzwischen die kooperierende Börse in der Übersicht. CryptoRank zeigt Statistiken zu Renditen und hat den IEO-Hype in 2019 in einem Blogpost analysiert und wie dieser mit den Exchange Tokens korreliert.

Exchanges stellen i.d.R. detaillierte Informationen zu den vorgestellten Projekten bereit. Man kann davon ausgehen, dass die Börsen in regem Austausch mit den Projektinitiatoren stehen und deren Motivation und Ziele prüfen. Eine Garantie auf Erfolg bietet das jedoch nicht. Als Investmentschutz für Privatanleger von Tokensales implementieren manche Teams eine sogenannte Lock-up Period für die Tokens der Großinvestoren, sprich einen im Smart Contract festgelegten Zeitraum, in dem die Tokens nicht abgehoben werden können. Bei einer Vesting Period werden die Tokens schrittweise freigesetzt. Das wird häufig für die Tokens des Teams implementiert, womit ein Entwicklerteam seine Passion am Projekt demonstriert. Das theoretische Risiko eines Exit Scams bleibt aber auch bei IEOs bestehen.

Angesichts der enormen Konkurrenz unter den zentralen Börsen tun die Exchanges einiges, dass ihre IEOs ein gutes Return on Investment (RoI) erzielen. BitMax* bietet sogar eine Rückkaufoption für BTMX-Holder. Gate.io verlangt von den Teams, die Fundraising auf ihrer Plattform betreiben, ein Pfand im eigenen Gatechain Token, das verbrannt wird, sollte der Kurs unter den IEO-Preis fallen.

ICOs ohne Börse als Fundraisingplattform werden wohl nur noch ein deutlich kleineres Publikum erreichen. Diese neue Art der Zentralisierung bietet dem Durchschnittsnutzer bzw. -investor mehr Sicherheit durch eine garantierte Börsenlistung. Andererseits sorgt dieses Machtgefälle dafür, dass Kryptobörsen mehr und mehr zu einflussreichen Banken mutieren.

Bislang wurden IEOs von der Masse positiv angenommen. Der IEO-Preis lag im Schnitt deutlich unter dem Einstiegshandelspreis – und das bei nur wenigen Tagen oder Stunden zwischen dem Ende des Tokensales‘ und dem Handelsstart. Das (kurzfristige) All-Time High wird zumeist in den ersten Minuten oder nach einer knappen halben Stunde erreicht.

Wie lange sich IEOs als profitabel erweisen, bleibt ungewiss. Der IEO-Effekt könnte schon bald wieder verschwinden. Nicht zu vergessen: Es ist nach wie vor möglich, dass der Kurs unter den Einstiegshandelspreis fällt wie im Fall des Ocean Protocol-IEOs auf Bittrex. CryptoRank und ICO Analytics informieren regelmäßig über bevorstehende IEOs und deren vergangene Performance.

Viele Investoren sehen in ICOs bzw. IEOs nur das schnelle Geld, ohne an einem Langzeitinvestment interessiert zu sein. Ein Umstand, den Nicholas Merten bereits mehrfach auf YouTube angeprangert hat. Das ist auch bei den von Suppoman vorgestellten Risikokapitalgebern der Fall. Obwohl inzwischen der IEO-Preis des Öfteren unter dem des Private Sales für private Großinvestoren liegt, erhalten Venture Capital-Firmen und/oder die Betreiber der Börsen häufig vergünstigte Konditionen auf die Tokens. Beim Börsenstart zahlt man dann ein Vielfaches des ursprünglichen Preises. Hier streichen bereits die ersten Investoren Profite ein.

Initial DEX Offering (IDO)

DAOs, die wie Kickstarter als Crowdfunding-Plattform dienen, sind die Alternative zu Exchanges, indem sie ICOs auf ihren Plattformen für die Investoren des eigenen Plattform-Tokens anbieten. Den Projekten dienen sie als Werbefläche und den Investoren als Jury, die die besten Projekte auswählt und zum Investment bereitstellt. So die Theorie. Die Historie zeigt jedoch, dass kaum eines der gelaunchten Projekte auch nach über einem Jahr noch eine Relevanz hat und ihr Token nicht selten unter dem Ausgabepreis rangiert, sofern er überhaupt noch handelbar ist. Schuld ist der kompetetive Markt und der gnadenlose Spekulationscharakter der Kryptowelt, die maßgeblich an schnellen Gewinnen interessiert ist. Wer hinter den Teams steckt, ist nur schwer zu durchleuchten, wie bereits die Netflix-Doku „Bitconned“ zeigte. Oft scheitert es an der Umsetzung und das Projekt versinkt nach nur wenigen Wochen oder Monaten in der Bedeutungslosigkeit.

So überrascht es nicht, wenn Investoren die erhaltenen Tokens so schnell wie möglich nach dem Token Launch veräußern. Je nach Vesting Period, sprich dem allmählichen Freisetzungszeitraum der Tokens, kann sich die Ausschüttung über Monate hinziehen. Aus Investorensicht ist es daher wichtig, dass die Projekte auch auf lange Sicht erfolgreich sind. Als Absicherung haben vereinzelte Plattformen wie DAOMaker (registriert auf Bermuda) und Seedify (registriert auf den Seychellen) ein Regelwerk geschaffen, das im Fall eines verzögerten oder unrentablen Projekts Rückzahlungen vorsieht. Polkastarter, eine langjährige Fundraising-Plattform mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln, verzichtet hingegen darauf. Die Beteiligungshöhe hängt von den gestakten Plattform-Tokens und dem bereitgestellten Kapital ab. Während DAOMaker und Polkastarter bis 2022 das Return on Investment dominierten, setzten sich 2024 Ape Terminal und Bounce an die Spitze. Ape Terminal bietet die Möglichkeit nur mit Wallet-Signatur ohne KYC an der Lotterie teilzunehmen – wenn auch mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit.

Nur wenn der Verkaufspreis aller Tokens deutlich über dem Einkaufspreis liegt, werden Plattformen auch künftig Investoren anziehen. Die große Gefahr ist dabei, nicht nur auf die falschen Projekte, sondern auch die falsche Plattform zu setzen und in einen unrentablen Plattform-Token zu investieren, wenn zu wenige (gute) Projekte zum Investieren angeboten werden.

Eine neue Form der IDOs sind Initial Stake Pool Offerings (ISPO), die wie Staking funktionieren, nur dass man als Staker nicht den selben Kryptowert erhält, den man anlegt, sondern ein neues Kryptoasset eines Projekts, dem man seine Coins über einen Stake Pool zur Verfügung stellt. Dieses Modell wurde 2021 erstmals von MELD auf Cardano umgesetzt und blieb zunächst ein unpopuläres Novum. Dabei sind Funktionsweise und Sicherheit sehr vorbildlich. Man stellt seine Liquidität durch den Blockchain-Coin (auf Cardano ADA) zur Verfügung und erhielt für die Dauer der Hinterlegung keine ADA sondern den neuen Pool-Token. Diesen kann man im besten Fall zu einer höheren Summe als die reguläre ADA-Stakingrendite verkaufen und hat so gegenüber dem Staking des Blockchain-Coins höhere Gewinne erzielt. Ist man mit den Einnahmen der Tokenverkäufe nicht zufrieden, unstakt man und setzt seine ADA anders ein. Es entfallen damit ein Vorschuss, die Ausschüttungsintervalle und große Abhängigkeit vom Tokenpreis. Nachteile sind die nicht garantierte Rendite, das Smart Contract-Risiko sowie das nötige Investment in den Blockchain-Coin. ISPOs wurden neben Cardano auch bereits in anderen PoS-Netzwerken angewandt wie auf Polkadot und Solana.

Security Token Offering (STO)

Die wohl seltenste Form des Crowdfundings sind Security Token Offerings. Hierbei handelt es sich um mit den Finanzbehörden registrierte Verkäufe von Aktien auf der Blockchain. Damit unterscheidet sich ein STO von Anteilsverkäufen eines Unternehmens an Investoren nur insofern, als dass die Blockchain als darunterliegende Technologie verwendet wird. Da Lizenzierungsprozesse für alle Länder, in denen man den Verkauf anbieten will, mit großem bürokratischen Aufwand einhergehen und bspw. in den USA nur für akkreditierte Investoren zugänglich sind, ist dies die seltenste Form des Crowdfundings. Die technische und/oder regulatorische Umsetzung erfolgt in der Regel über Plattformen wie Harbor, Polymath, Securitize, Securrency, Swarm oder tZero.

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