Mögliche Einsatzgebiete der Blockchain-Technologie

Bitcoin ist nur eine von vielen Applikationen der Blockchain-Technologie. Nachfolgend stelle ich dir Branchen und Anwendungsszenarien vor, die von der Blockchain-Technologie profitieren würden.

Kryptowährungen

Kryptowährungen sind die meistgenutzte und populärste Anwendung der Blockchain-Technologie. Heute konkurrieren hunderte Coins um die Vorherrschaft im Kryptowerteverkehr. Kryptowährungen können von jedem geforkt werden und sind somit frei kopier- und modifizierbar. Man kann davon ausgehen, dass sich nur ein paar wenige Kryptowährungen auf Dauer etablieren werden, so wie es auch eine Vielzahl von generischen Top-Level-Domains gibt, wovon sich .com, .net, .org und .info als die gängigsten etabliert haben.

Jede Domain im Internet kann nicht entweder nur für Webseiten oder nur für Email-Adressen, sondern natürlich für beides genutzt werden. Die Firma UnstoppableDomains geht noch weiter und will „.crypto“-Domains etablieren, die darüber hinaus auch zum Zahlungsverkehr genutzt werden können, sodass man Geld einfach an eine Domain schicken kann – bislang erkennt diese Top-Level-Domain aber nur der Opera und hauseigene Decentralized Web-Browser basierend auf Chromium. Ob und wann Google Chrome, Firefox, Safari & Co. nachziehen, ist unklar, denn das Decentralized Web wird nicht über die Verwaltungsstelle ICANN organisiert – so wie man den Tor-Browser fürs Darknet benötigt. Auch wenn dieser Anonymität verspricht, ist er aufgrund seiner entschleunigenden Proxy-Verbindung im Gegensatz zu VPNs nicht massenkompatibel. Wer eine renommierte Firma sucht, wird erwarten, dass diese die Dotcom-Domain ihres Namens besitzt.

So wird es sich vermutlich auch mit Kryptowährungen verhalten: Bitcoin, Litecoin, Ethereum und die ein oder anderen Stablecoins dürften sich durchsetzen. Andere Kryptowährungen werden wohl nur optional für bestimmte Anwendungszwecke genutzt werden oder von der Bildfläche verschwinden. Wenn alle Miner bzw. Nodes vom Netz gegangen sind, sind auch die auf und mit der Blockchain gespeicherten Daten nicht mehr abrufbar. Daher sollte man ein etabliertes Netzwerk mit daran angebundenem externem Datenspeicher verwenden, der zusammen mit der Blockchain die Authentizität der gespeicherten Daten garantiert. Eine Blockchain, die einen Developer Fund hat, wird oft aktiver weiterentwickelt als andere, die auf freiwilliger Beteiligung basieren. Ein Budget fördert die Anwendungsmöglichkeiten, doch zu viele Updates machen ein Netzwerk potentiell fehleranfälliger als eine konservative Entwicklung wie bei Bitcoin, dessen Code von Enthusiasten weiterentwickelt wird, die womöglich Bitcoin-Bagholder sind und daher ein eigenes Interesse am Fortbestand und dem Wachstum des Netzwerks haben.

Tokenisierung

Objekte der physischen Welt lassen sich zum Eigentumsnachweis auf die Blockchain bringen. Dafür eignet sich besonders eine Smart Contract-Plattform, aber auch Bitcoins lassen sich als sogenannte Colored Coins nutzen. Um gegenüber Dritten den Besitz bspw. einer Immobilie nachzuweisen, müsste man nur eine Transaktion mit dem Private Key des Tokens signieren und keinen Termin mehr beim Amt vereinbaren. Julian Hosp erklärt in diesem Video weitere Beispiele.

Treueprogramm

Jedes Unternehmen bzw. Unternehmensgruppe hat sein eigenes Treueprogramm, um die Loyalität eines Kunden exklusiv für die eigens angebotenen Produkte und Dienstleistungen zu gewinnen. So würde jede Firma am liebsten ihren eigenen Token veröffentlichen, doch für eine massentaugliche Adaption sind Akzeptanzstellen und Interaktion zwischen den Treueprogrammen für den Nutzer entscheidend. Ein offenes Konsortium à la „Payback on the Blockchain“ wäre die Lösung, bedürfte aber einer gezielten Koordinierung. Eine Stiftung wie die Ethereum Foundation hätte die Voraussetzungen, um für Unternehmerakquise zu sorgen. Die Firmen könnten ihre Datenbank transparent auf die Blockchain bringen. Wer nun bspw. seine Flugmeilen tauschen will, tut dies über eine Börse mit Interessenten gegen Fiatwährung oder andere Tokens. So wären Treueprogramme endlich flexibel kombinierbar, wodurch auch die Firmen profitieren würden, denn sie könnten Angebot und Nachfrage mit anderen Unternehmen vergleichen und bessere Rückschlüsse auf die Effektivität ihres Programms ziehen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Privatsphäre der Nutzer bei der Interoperabilität erhalten bleibt.

Bankwesen – von Smart Contracts bis Micropayments

Banken fordern für eine Vielzahl von Dienstleistungen Gebühren. Das können Banküberweisungen, die Kontoführung, Monatsbeiträge für die Kreditkarte oder Finanzprodukte wie ETF-Sparpläne sein. Mit Smart Contracts könnten Zahlungsvorgänge automatisiert und so deutlich kostengünstiger gestaltet werden. Nach Schätzungen von 2015 lebt jeder zehnte Mensch von weniger als 2 Dollar am Tag. Überweisungen von wenigen Cents sind für Zahlungsanbieter nicht relevant und so übersteigen zuweilen die Kosten einer Transaktion deren Wert. Kryptowährungen wie Bitcoin lösen dieses Problem derzeit noch nicht – im Gegenteil: zu Stoßzeiten belaufen sich Transaktionskosten auf mehrere Dollar. Mit dem RippleNet oder Stellar wären jedoch Mikrotransaktionen mit geringer Verzögerung zu verschwindend geringen Kosten möglich.

Lizenzen und Tantiemen in der Buch-, Musik- und Filmbranche

Künstler wissen nie genau, wie hoch ihr Anteil an den Einnahmen ihrer Werke ist bzw. ob diese auch tatsächlich gezahlt werden. Ein Drehbuchautor, der per Vertrag an Sendungswiederholungen mitprofitiert, muss immer einzeln prüfen, ob er für die ausgestrahlten Wiederholungen entlohnt wurde. Wäre das Werk auf der Blockchain mit Smart Contract des Verlags und/oder des Filmverleihs registriert, würde eine Ausschüttung vollautomatisch und transparent vorgenommen. Der Vertrieb hätte jedoch keinen Vorteil, da eine in Vergessenheit geratene Zahlung zugunsten des Unternehmens wäre. Ob die Gewerkschaften der Filmschaffenden sich mit der Produzentenallianz auf eine effiziente Tantiemenabwicklung einigen können, ist angesichts der großen Interessenskonflikte beider Parteien eher unwahrscheinlich.

Urheberrechte

Wer schon einmal das Originalbild eines Fotos mit Urheber versucht hat ausfindig zu machen, kennt die Hürden: Es gibt keine Anlaufstelle außer Tools wie die Google Bilder-Rückwärtssuche, wobei diese nicht immer einen Rückschluss auf den Rechteinhaber eines Medieninhalts zulässt. Wer seine digitalen Inhalte nicht mit Wassermarken versehen will, könnte seine Medien über ein Netzwerk hochladen, das mit einer Blockchain verknüpft ist. Der Rechteinhaber könnte wählen, ob bzw. wer seine Medien kopieren und verbreiten darf und unter welchen Bedingungen. Findet nun jemand ein Foto ohne Quellennachweis, könnte man über das Netzwerk den Urheber ausfindig machen, indem man das Bild zur Prüfung hochlädt. Das würde jedoch einen enormen Datenspeicher für die originalen Vergleichswerte erfordern. Sonst wüsste man zwar, ob die hochgeladene Datei das Original ist bzw. von wem es stammt, der Inhalt bliebe jedoch unbekannt, was relevant würde, wenn sich die Hashes unterscheiden. Die Prüfung wäre auch für Dokumente, Musik und Videos denkbar, wobei letzteres aufgrund der Komplexität der Inhalte deutlich schwieriger zu analysieren wäre.

Eine bereits verfügbare Alternative zur dezentralen Registrierung sind Angaben über den Urheber in den Metadaten einer Datei. Diese können jedoch mit simplen Tools manipuliert werden. Auch eine Blockchain könnte Rechtsverletzungen nicht vermeiden, würde es jedoch erheblich erleichtern, den oder die Rechteinhaber zu ermitteln. Kreiert man beim Hochladen mit seinem Private Key einen Hash für den Inhalt, wäre dieser bei der unveränderten Originaldatei gleich, wenn man ihn erneut mit seinem Private Key erzeugt. In Verbindung mit der erstmaligen Registrierung per Timestamp auf einer Blockchain ließe sich so der Besitz eines Medieninhalts beweisen – vorausgesetzt, es gibt einen Blockchain-Standard, mit dem große Plattformen wie Amazon, Google und Facebook arbeiten. Ob sich die auf eine dezentrale Datenbank einlassen, ist aber fraglich.

Eine zentrale Lösung der etablierten Internetkonzerne wäre keine zufriedenstellende Lösung, denn sie wäre vermutlich nicht für jede beliebige Plattform offen zugänglich – zum einen aus regulatorischen Gründen, da nicht jeder Content von Staaten im Netz gewünscht oder erlaubt ist und zum anderen aus Eigeninteresse, um das eigene Monopol zu sichern. In einem „permissioned Network“ wäre man vollumfänglich von der Zusammenarbeit der Entscheidungsträger und der daraus resultierenden Funktionalität einer solchen Plattform abhängig. Der Vorteil liegt hingegen klar auf der Hand: zentrale Systeme sind deutlich schneller und effizienter.

Doch es gibt Hoffnung: das (semi-)dezentrale Netzwerk Storj.io würde – wie im Kapitel Cloud-Speicher beschrieben – Datenspeicher zur Verfügung stellen. Darauf ließe sich eine dezentrale, quelloffene Datenbank aufbauen. Die Herausforderung liegt jedoch in der Finanzierung. Die Wikimedia Foundation hätte hier bessere Voraussetzungen: Das Projekt Wiki Data wird bereits von vielen Sprachassistenten als Datenquelle genutzt. Übrigens: Wikipedia akzeptiert Spenden mit dem Basic Attention Token als Anerkennung für seine Webinhalte. Bleibt zu hoffen, dass die Organisation dem Thema Blockchain auch weiter offen gegenübersteht und dessen Integration fördert. Content Creator würde es freuen. Notariate wären hingegen negativ betroffen.

Energiesektor

Der Herkunftsnachweis von Strom ist für Industrie und Verbraucher in Zeiten des Klimawandels von großer Bedeutung. Jeder sollte einsehen können, wann und wo sein Strom erzeugt wurde. Mithilfe der Blockchain ist ein System denkbar, das die Stromnutzung verschlüsselt mit einer Blockchain protokolliert. Kunde und Stromanbieter könnten die Nutzung in Echtzeit einsehen, Anomalien erkennen, besser kalkulieren und überschüssige Kontingente an einer Strombörse handeln. Durch Kooperationen wie zwischen Jaguar Land Rover und IOTA können auch Fahrzeuge mit Wallets ausgestattet werden, sodass man sein Elektroauto an einer Ladestation anschließen und kilowattgenau den bezogenen Strom abrechnen kann. Genauso wäre eine nutzungsbasierte Abrechnung für mobile Daten möglich.

Gesundheitswesen am Beispiel von elektronischen Gesundheitskarten

Ein Arzt protokolliert Diagnosen in einer verschlüsselten Patientenakte im IPFS, die mit einer Blockchain verknüpft wird und so eine unabänderliche, transparente Historie schafft. Der Eigentümer könnte entscheiden, wem er welche Daten zur Verfügung stellt. Eine Implementierung wäre aber sehr komplex und an höchste und von Land zu Land unterschiedliche Datenschutzstandards gekoppelt. Mit dem E-Health-Gesetz ist 2015 in Deutschland der Grundstein für eine – wenn auch nicht blockchainbasiert – elektronische Patientenakte gelegt worden, die über die jeweilige gesetzliche Krankenkasse angefordert werden kann. Sie soll die Kommunikation mit und unter Ärzten beschleunigen und in lebensbedrohlichen Situationen wertvolle Zeit sparen.

Eine vollumfängliche, digitale Patientenakte – egal ob auf der Blockchain oder nicht – birgt das Risiko von Programmierfehlern. Medizinische Daten in den falschen Händen könnten eine Person aufgrund ihrer Vorgeschichte unversicherbar machen oder Informationen preisgeben, die in höchstem Maße privat und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Eine generelle Zustimmung zum Abruf medizinischer Daten wäre zwar für eine effektive Behandlung im Notfall wünschenswert, das Risiko durch die Preisgabe der gesamten medizinischen Historie angesichts eines möglichen Datenmissbrauchs ist aber eklatant.

Lieferketten

Stelle dir vor, du wüsstest, wann und wo die Kuh gehalten wurde, aus deren Milch dein Joghurt hergestellt wurde, wann dieser homogenisiert und pasteurisiert weitertransportiert, verpackt und zu deinem Supermarkt geliefert wurde. All das ist bereits möglich mittels Food Supply Chain Management von Firmen wie OriginTrail oder Te-Food. IBM hat für Konzerne wie Walmart, Nestlé und Carrefour die Food Trust Blockchain entwickelt, mit der man jederzeit per QR-Code alle Informationen der Lieferkette abrufen kann. Werden verunreinigte Lebensmittel gefunden, ist schnell nachvollziehbar, wo die weiteren Produkte der Charge lagern.

Das hat auch den Weltmarktführer für Softdrinks auf den Plan gerufen: Coca Cola will mit Software-Entwickler SAP die Blockchain-Technologie für sein Liefernetz nutzen. Vermehrt muss man feststellen, dass große Unternehmen bevorzugt eigene Lösungen entwickeln, statt mit Blockchain-Start-ups wie VeChain und Waltonchain zu kooperieren, die sich auf die Nachverfolgung von Waren und Rohstoffen spezialisiert haben. In der Automobilindustrie könnte das die Manipulation von Kilometerständen verhindern oder CO₂-Emissionen transparent auf der Blockchain darstellen, woran Mercedes-Benz mit Circulor arbeitet. Aber auch Krankenhäuser würden von der Blockchain-Technologie profitieren: Es wäre nachvollziehbar, wann, wie und wo verschreibungspflichtige Medikamente hergestellt und angeliefert wurden. Doch auch wenn einmal getätigte Eingaben in der Blockchain unwiderruflich gespeichert werden, ist die Authentizität der gemachten Angaben nur schwer nachprüfbar, wenn ein Vorarbeiter im Kongo auf Tracr bestätigt, dass der geschürfte Rohdiamant aus Mine 13 nicht von Kinderhand geborgen wurde.

Real World Companies that build on Ethereum Blockchain

Quelle: CryptoDiffer.com, 16.01.2020

Weitere Anwendungsbereiche wären soziale Netzwerke, Cloud-Speicher, Entertainment, Gaming, Logistik, Tourismus, Wahlen, Identitäts- und Passwortverwaltung oder der Zusammenschluss zahlreicher (Privat-)Rechner zu Golems Supercomputer. Damit Blockchain-Projekte mehr Aufmerksamkeit erfahren, sollte ihr Coin oder Token von bestehenden Zahlungsanbietern integriert werden wie in die Visa Debit Card von Coinbase oder die kostengünstigere Crypto.com Visa Debit Card. Deren Auswahl an unterstützten Assets bestimmt jedoch, welche Projekte unterstützt werden und Anwendung finden. Eine enorme Marktmacht, die auch ihre Vorteile hat in einer von Betrügern hochfrequentierten Industrie. Letztlich bleibt immer die Frage: Wem nützt die Entwicklung und der Betrieb eines Dienstes? Altruismus ist rar gesät im World Wide Web.

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